Ansage: ME/CFS
Hallo,
Da morgen mein Geburtstag ist, dachte ich, dass dies ein guter Zeitpunkt ist, eine Nachricht an meine Freunde und Familie zu schreiben.
Ich bin Anfang Juni 2022 an Covid erkrankt. Nach einem milden Verlauf bin ich leider nicht wieder richtig auf die Beine gekommen. Körperliche und geistige Anstrengungen brachten mich schnell an meine Grenzen. Dieser Zustand hörte nie auf und hat sich leider noch verschlechtert, sodass ich im August auch beschloss, meinen Job, also das Pokern, zu pausieren, um der Heilung nicht im Weg zu stehen. Das war sicher die richtige Entscheidung, aber leider hat sich mein Zustand durch die Pause auch nicht verbessert. Langsam, aber stetig ging es mir trotz Ruhe immer schlechter. Meine Symptome waren und sind ständige Erschöpfung, Müdigkeit, Konzentrationsschwäche und eine extreme Geräuschempfindlichkeit.
Mein Leben hat sich im letzten Jahr komplett verändert. Ich war sehr sportlich, bin mehrmals die Woche laufen gegangen und Rad gefahren. Durch das Pokern habe ich mich mental und kognitiv fit gehalten. Außerdem habe ich mich oft mit Freunden getroffen, war am Wochenende mal feiern, bin oft und gut essen gegangen. All das ist vorerst nicht mehr möglich.
Es war sehr schwer, Anlaufstellen zu finden, die meine Situation ernst nahmen. Weil alle Tests unauffällig waren, hat mein Hausarzt mich über 2-3 Monate damit vertröstet, dass das von alleine wieder weggeht, sodass ich mich erst nach diesem Zeitraum nach anderen Ärzten umgeschaut habe. Nach über zwei Monaten Warten habe ich dann meinen Hausarzt angewiesen, die Sache ernst zu nehmen, woraufhin er mir endlich eine Empfehlung zur ambulanten Reha in Wien schrieb. Diese wurde dann nach etwa 6-7 Wochen Wartezeit Mitte November von meiner Krankenkasse genehmigt und nach abermals Warten auf einen freien Platz hatte ich meinen Aufnahmetermin mit Arztgespräch letzten Donnerstag.
Die Ärztin diagnostizierte mir ME/CFS, das durch die Immunreaktion meines Körpers auf die Covid-Infektion ausgelöst wurde. Sie hat mich deutlich darauf eingeschworen, die Krankheit anzunehmen und zu akzeptieren. Die einzige Therapie, die es momentan gibt, ist das "Pacing". Das bedeutet in erster Linie, seine eigene Energie richtig einzuschätzen und von seinem 100%igen Energiehaushalt täglich 70-80% zu verbrauchen und sehr darauf zu achten, nicht über die 100% zu kommen, da dies in einem "Crash" endet. Ein Crash ist eine Überlastung, die sowohl durch körperliche oder geistige Anstrengung ausgelöst wird und den Gesamtzustand weiter verschlechtert.
Die Diagnose ME/CFS habe ich mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Einerseits ist es gut, endlich eine Diagnose zu haben und sich darauf einstellen zu können. Die Reha macht einen guten Eindruck. Dort wird mir über verschiedene Fachbereiche hinweg geholfen. Andererseits ist die Diagnose natürlich auch die Ansage, dass ich mich von dem Leben, das ich bis vor einem halben Jahr führen konnte, auf unabsehbare Zeit verabschieden muss.
Von nun an besteht mein Leben größtenteils darin, mich mit der Krankheit auseinanderzusetzen und mich im Rahmen meiner Möglichkeiten zurechtzufinden. Natürlich habe ich die Hoffnung nicht aufgegeben, zumal CFS durch Corona zu einer neuen Volkskrankheit aufsteigt und der Druck auf die Forschung extrem erhöht wird. Daher stehen die Chancen nicht schlecht, dass sich in nächster Zeit etwas tut.
Ich werde nach meiner Reha versuchen, in Studien reinzukommen. Außerdem steht noch ein Neurologentermin Mitte Februar an, bei einem recht bekannten Arzt, der sich von Anfang an auf diese durch Covid ausgelösten neuronalen Probleme spezialisiert hat.
Generell freue ich mich über jede Nachricht, die mir zeigt, dass Leute an mich denken. Telefonieren geht zu einem gewissen Grad (unter Ankündigung) und Treffen mit Leuten eher selten, wenn dann eins zu eins. Größere Gruppen sind für mich schon zu anstrengend.
Ich dachte mir, dass es wohl ganz gut wäre, euch alle mal auf den aktuellen Stand zu bringen. Das erspart mir auch, jedem Einzelnen dasselbe zu erzählen.
Ich bin froh, einen großen Kreis an Freunden und Familienmitgliedern zu haben und natürlich meine Freundin Kim, die mich so gut es geht auf meinem Weg unterstützt.
Auf dass ich euch nächstes Jahr etwas Positiveres berichten kann.
Bis bald,
Severin
ich lese gerade deinen Blog nach. Ich wünsche dir viel Kraft und dass bald eine Besserung eintritt oder ein "gut-damit-Leben" möglich sein wird. lg domi
AntwortenLöschen