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Hallo,
heute habe ich die dritte Blutwäsche hinter mich gebracht und kann mal ein kleines Update geben, wie es so läuft. Nachdem ich die erste Blutwäsche gut weggesteckt habe, hat die zweite doch ganz schön zugesetzt. Da mir der erste Waschgang so gut bekommen ist, wollte ich es diesmal ohne Beruhigungstablette versuchen. Das war ein großer Fehler. Ich weiß nicht, woher das kommt, aber mein absoluter Schwachpunkt, meine Achillesverse, ist die Ellenbeuge. Ich kann schon nicht hinsehen, wenn Leute im Fernsehen dort Spritzen bekommen. Mir darf da auch sonst niemand hinfassen, egal wie nahe er oder sie mir steht, egal wie zärtlich es sein mag. Ich selber gebe mir da auch keine Ausnahme. Bei der ersten Blutwäsche wurden die Punktierungen an beiden Seiten des Handgelenks gemacht, was für mich deutlich erträglicher war, da man dort aber nicht so gut 'abzapfen' konnte, hat man sich am Freitag dann dazu entschlossen, an einem Arm die Ellenbeuge zu nehmen. Das war so unangenehm, der Einstich, aber vor allem das Gefühl, dort etwas steckend zu haben, bei jeder Bewegung diesen Schlauch zu spüren. Ich musste mir dann eine Beruhigungstablette einwerfen, die dann aber auch erst nach 30-40 Minuten anfing zu wirken. Ich hab sogar schon gefragt, ob wir nicht die Venen wechseln könnten, wurde aber überredet, noch auf die Wirkung der Tavor zu warten. Die kam dann auch irgendwann und dann ging es ganz gut. Jedoch war mir das eine Lehre, dass ich die nächsten Male nicht wieder ohne Angstlöser in diese Prozedur gehe.
Meine Mutter ist am Freitag nach Hause gefahren und somit war ich alleine im AirBnB. Das war auch gut so, denn leider stresst mich das zu sehr, immer jemanden um mich herum zu haben. Sprechen ist für mich einfach total anstrengend und sich dann einfach nur anschweigen ist auch irgendwie unangenehm. Wenn ich mich dann 'zurückziehe', um den Akku aufzuladen, fühle ich mich aber auch irgendwie komisch und damit konfrontiert, dass gerade das Normalste am Menschsein bei mir nicht mehr so funktioniert. Bei meiner Erkrankung ist Einsamkeit mehr als nur ein Begleitsymptom – sie fungiert auch als Schutzschild, das mir hilft, die Symptome besser zu handhaben. Ich vermisse es so sehr, in Kontakt mit Menschen zu kommen, leider muss ich mir jedes Treffen, jeden Anruf, jeden Smalltalk auf der Straße genau einteilen, um nicht meine Tagesgrenzen zu überschreiten. Gottseidank haben die Besitzer des AirBnBs zwei Katzen, von denen eine ziemlich forsch ist und mich einmal am Tag besucht. Sicher nicht ohne Hintergedanken. Erstmal wird miaut, bis zum geht-nicht-mehr, damit es Leckerli gibt. Als Belohnung kommt sie dann auch mal auf den Schoß und lässt sich nach allen Regeln der Kunst streicheln und kraulen. Sobald sie dann hört, dass ihre 'Katzenmama' und -'Papa' unten im Haus sind, reicht's dann aber auch und es werden denen da unten schöne Augen gemacht. Ich hab's schon mal gesagt und sag's wieder: Katzen sind die perfekten Tiere für ME/CFS-Patienten. Schon allein als gutes Beispiel zu entspannen und zu meditieren, gibt es wohl wenige Tiere, die das so perfektioniert haben wie sie. Ansonsten ist das Streicheln auch super schön. Der Körperkontakt zum Tier gibt einem schon ein schönes Gefühl von Geborgenheit. Hunde sind zwar empathischer, aber leider auch nicht so selbstständig wie Katzen und streicheln und kraulen macht bei denen auch nicht so viel Spaß. Ganz abgesehen davon, dass ich auch nicht viel mit denen Gassi gehen könnte. Soviel mal dazu.
Zurück zu meiner Krankheit: Leider war das Wochenende doch ziemlich hart. Besonders die neuronalen Symptome waren ziemlich ausgeprägt. Am meisten nehme ich die wahr, wenn ich mit Leuten spreche. Am Samstag war mich Sarah besuchen, eine meiner ältesten Freundinnen aus dem Saarland, die ich nun auch schon Jahre nicht mehr gesehen habe. Umso größer war die Freude, dass wir uns dann mal wieder trafen. Das wirklich Miese mit der Krankheit ist, dass es besonders dann, wenn man sich am meisten freut und Emotionen zeigt, der Akku umso schneller zur Neige geht. Nach nicht mal einer Stunde, mussten wir dann auch aufhören. Ich hab schon gemerkt, dass es mich ganz schön fertig gemacht hat, durch Zuckungen in meinen Augenlidern, Stressschweiß in den Achseln und total übersteuertem Gehörempfinden. Samstag- und Sonntagnacht konnte ich dann auch nicht sonderlich gut schlafen. In der Nacht von Sonntag auf Montag war es besonders schlimm. Ich hatte einen Alptraum, der sich mit der Blutwäsche am Folgetag auseinandergesetzt hat. In diesem waren meine Symptome, besonders die Geräuschempfindlichkeit und die Kopfschmerzen, besonders schlimm. Als ich heute Morgen aufgewacht bin, wollte ich den Waschgang heute erstmal ausfallen lassen. Nach Bitte um Aufschub, zum Überlegen und Ausruhen, habe ich mich dann aber doch noch überwunden. Es ging diesmal dann wider Erwarten doch ganz gut und ich bin froh, dass ich es gemacht habe.
Noch eine kleine Erklärung dazu, was bei dem Eingriff passiert: Es werden bestimmte Autoantikörper aus dem Plasma gefiltert. In meinem Fall sind das die IgG-Autoantikörper, zu denen auch die 'schädlichen' Autoantikörper gehören, die durch meine Covid-Erkrankung verursacht wurden. Die Autoantikörper, so die Hypothese, stören Prozesse im zentralen Nervensystem und sind, ebenfalls hypothetisch, der Ursprung allen Übels. Allerdings werden bei einem Durchgang nicht alle Autoantikörper entfernt, da immer noch welche im Gewebe verbleiben. Deswegen sind mehrere Blutwäschen notwendig. Nach fünf Blutwäschen hat man 80-90% der Autoantikörper entfernt. Anschließend wird dem Patienten eine Erholungszeit von 8 Wochen gegeben, um zu beobachten, wie es ihm danach geht. Es wird noch einmal überprüft, ob die Menge der Autoantikörper auf niedrigem Niveau bleibt oder nicht. Falls der Körper wieder neue bildet, wird der Prozess wiederholt, in der Hoffnung, dass es dauerhaft weniger werden und der Körper somit endlich die Möglichkeit hat, sich selbst zu heilen.
Ich bin froh, dass ich 3/5 der Behandlung nun hinter mir habe.
Bleibt gesund, Covid ist nicht lustig und diesen Winter wird aller Voraussicht nach wieder besonders heftig.
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